Geburtsfotografie
Es ist die Fotodokumentation eines ganzen einzigen vergänglichen Tages. Aber er ist so wichtig, dass die Gefühle und visuellen Eindrücke für immer in Bildern gebannt und bei jedem Betrachten wieder hervorkommen sollen.
Zum ersten Mal durfte ich eine Geburt fotografisch begleiten. Es war eine Kaiserschnitt-Geburt, was bedeutet, dass meine Fotodokumentation vor der OP beginnt und dann erst wieder nach der OP fortgesetzt wird.
Ich weiß nicht, was auf mich zukommt. Welche Motive sich mir präsentieren werden, wie ich vorgehen würde. Ich bin aufgeregt und lampenfiebrig. Genauso, wie Sylvia, die Mutter, die ihre Freundin als Geburtsbegleiterin mitbringt. Ein paar Tage vorher bin ich schon mal ins Krankenhaus gefahren, um mich den Hebammen vorzustellen und mit ihnen abzusprechen, was erlaubt ist und wo ich nicht störe. Ich machte mich vertraut mit der Umgebung. Seit dem Tag bin ich "im Modus".
Die Nacht davor kann ich kaum schlafen, aus Angst, den Wecker am viel zu frühen Morgen zu verpassen. Entsprechend stehe ich auch viel zu früh vor dem Krankenhaus und warte auf den anbrechenden Tag - und auf Sylvia.
Meine Reportage beginnt also bei Blutmond-Schein in einem stillen Empfangssaal des Evangelischen Krankenhauses in Köln. Meine ersten Klicks an diesem Tag. Die nächsten Klicks empfangen die noch quirlig vergnügte Knutschkugel, die zur Anmeldung eintrudelt. Weitere Klicks begleiten sie hoch auf die Station, dokumentieren die Vorbereitung und die ersten Anzeichen eines Nervöswerdens bis hin zur völligen Hilflosigkeit, als es denn losgeht. Die haltenden Hände der Freundin symbolisieren die Tragweite der Gefühle dieses Tages.
Eine Dreiviertelstunde vergeht, bis die OP-Türe auffliegt und die Hebamme mit der neugeborenen Jola herauskommt. Klick. Der Moment ist verewigt. Jolas ersten Minuten. Ich folge ihnen auf die Station, dokumentiere das Wiegen und Messen, wische mir die Tränen weg angesichts der unmittelbaren Realität dieses neuen Lebens, der schrumpeligen Haut, der blauen Händchen und Füßchen, der Käseschmiere und der frisch durchtrennten Nabelschnur. Klick, klick, Glück. Die Magie der ersten Momente, und das Erleben, wie schnell die ersten Momente von zweiten Momenten überschrieben werden. Die Freundin kommt hinzu, Jola wird angezogen. Und schließlich wird Sylvia hineingeschoben. Noch vollkommen unter Narkose-Drogen feiert sie den Kaiserschnitt (die Euphorie lässt jedoch mit Eintreten der Schmerzen später nach 😉).
Die nächsten Klicks gelten ausschließlich Sylvia, wie sie zum ersten Mal ihre Tochter in die Arme nimmt, sie fassungslos anschaut, immer wieder anschaut, neugierig, ängstlich, glücklich und irritiert. Alles gleichzeitig. Sie lernen sich kennen. Meine Kamera sei mein Zeuge.
Im nächsten Moment treffen die frisch gebackenen Großeltern ein. Ich erlebe, wie mächtig und archaisch die Geburt eines Enkelkindes die Kraft der Familienbande zeigt, egal, was ihr sonst im Wege steht.
Ich bin dankbar, diese Magie der ersten Momente festgehalten zu haben. Und ich weiß, dass es für die Mutter ein Leben lang Bedeutung behalten wird. Die wenigen Bilder, die bei der Geburt meiner eigenen Tochter entstanden sind... sie sind mir heute heilig!
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Jenny (Mittwoch, 06 März 2019 22:10)
So wunderschöne Momente, die mir immer wieder die Tränen in die Augen treiben. Diese Bilder strahlen so viel Liebe aus. Einfach unfassbar toll. ❤